Wenn sich das Leben plötzlich ändert

Ein Interview mit Luca Biwer

In einer Welt, in der Mobilität oft als selbstverständlich angesehen wird, stoßen Menschen mit Einschränkungen auf besondere Herausforderungen. Der Student Luca Biwer erzählt in diesem Interview von seinem Alltag und den Hürden, die er nach seinem Unfall im Jahr 2017 meistern muss. Sein Leben ist geprägt von Mut und Durchhaltevermögen. Seine Geschichte bietet tiefe Einblicke in die Realität eines Lebens mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit.

Ein zentraler Unterstützer in einem solchen Alltag kann der Begleitservice mobisaar sein. Der Lotsenservice begleitet mobilitätseingeschränkte Menschen im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und gewährleistet, dass sie sicher und komfortabel ihre Ziele erreichen. mobisaar ist für jeden da – egal ob jung oder alt – und spielt eine entscheidende Rolle dabei, die Mobilität und Unabhängigkeit von Menschen mit Einschränkungen zu fördern.

Luca, kannst du uns etwas über den Unfall und die ersten Tage danach erzählen?

Luca Biwer: „Ich hatte 2017 einen Mountainbike-Unfall in den Vogesen, während ich als Übungsleiter für „Bike Aid“ unterwegs war. Dabei habe ich mir den vierten und fünften Halswirbel gebrochen. Ich lag zuerst in Frankreich im Krankenhaus und wurde danach nach Deutschland verlegt. Insgesamt war ich 14 Monate im Krankenhaus. Nachdem ich mehrere Operationen hinter mich gebracht hatte, ging es dann wieder nach Hause und das normale – also in Anführungszeichen „normale“ – Leben stand an.“

Wie hast du es geschafft, nach dem Unfall wieder Lebensmut zu fassen?

Luca Biwer: „Man muss sagen, ich hatte nach meinem Unfall eine großartige Unterstützung von Bekannten, Freunden und meiner Familie. Das hat mir enorm viel Kraft gegeben und zugleich in mir eine Pflicht ausgelöst, etwas zurückgeben zu wollen. Ich musste zurück ins Leben finden und den weiteren Weg bestreiten. Dadurch haben wir den Verein „Luca’s Bewegung e. V.“ gegründet. Die Initiative stammt aus „Bewegung für Luca“, die mich nach meinem Unfall unterstützt hat. Wir wollen Menschen helfen, die in eine ähnliche Situation kommen. Wir bieten Unterstützung in beratender, finanzieller und ideeller Hinsicht.“

Welche Rolle haben deine Familie und Freunde in deinem Genesungsprozess gespielt?

Luca Biwer: „Eine ganz entscheidende Rolle. Alles, was einen motiviert, sind in diesem Moment Freunde, Familie und die Partnerin. Das machte Vieles einfacher. Dadurch konnte ich bereits kurz nach dem Unfall wieder viele Unternehmungen tätigen. Ich bekam oft Besuch im Krankenhaus, was ebenfalls wichtig war und mir viel Kraft gab.“

Gibt es besondere Personen oder Ereignisse, die dir in dieser schwierigen Zeit besonderen Mut gegeben haben?

Luca Biwer: „Insbesondere, dass sich so viele Menschen solidarisch gezeigt haben und sich für mich eingesetzt haben. Es wurden Veranstaltungen organisiert und Spenden gesammelt. Das war herzergreifend. Jeder war immer für mich da – das kann man sich gar nicht vorstellen. Einfach nur großartig!“

Wie haben sich deine Hobbys (insbesondere das Fahrradfahren) und Interessen nach dem Unfall verändert oder weiterentwickelt?

Luca Biwer: „Ich bin früher viel Fahrrad gefahren, unter anderem auch Weltcups – mehr schlecht als recht – und war in ganz Europa für den Verein „Bike Aid“ unterwegs. Man kann schon sagen, dass ich mein Leben dem Fahrradfahren gewidmet habe. Im Nachgang bin ich immer noch aktiv, als 1. Vorsitzender des Radsportvereins bei uns im Dorf.

Ich habe während meiner Bachelorarbeit angefangen, ein Fahrrad zu konstruieren, das ich auch selbst über die Kinnsteuerung und einen Joystick am Arm lenken kann. Auf lange Sicht will ich es schaffen, dieses Fahrrad so selbst bedienen zu können, dass ich wieder mit Freunden im Wald auf Tour gehen kann. Aktuell studiere ich noch Wirtschaftsingenieurwesen im Master im letzten Semester und schreibe meine Masterarbeit über die Weiterentwicklung des Fahrrades, insbesondere der Steuerungsentwicklung. Zudem betreiben wir mit „Luca’s Bewegung e. V.“ einen Fahrradverleih. Das ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Wir haben dort vier Fahrräder, die sich beeinträchtigte Menschen kostenlos ausleihen können. Es handelt sich um zwei Dreiräder für Kinder und Erwachsene, die keine Oberkörperstabilität haben, ein Parallel-Tandem und ein Rollstuhlfahrrad für Personen, die nicht allein lenken können.“

Hinweis: Fahrräder für Mobilitätseingeschränkte sind über die Webseite buchbar: www.lucas-bewegung.org

Was motiviert dich täglich? Was treibt dich an?

Luca Biwer: „Ich sag’s mal so: Mir wird es im normalen Alltag selten langweilig. Ich bin stark eingebunden. Ich studiere Vollzeit im Master und gehe zusätzlich zur Dillinger Hütte arbeiten. Dort bin ich aktuell in der Personalentwicklung und betreue Digitalisierungsthemen, was gerade für mich sehr spannend ist. Digitalisierung spielt eine große Rolle in meinem Leben.

Nebenbei bin ich Vorsitzender der Vereine „Luca’s Bewegung e. V.“ und des Gerlfanger Bikeclubs „GBC Nippelspanner“. Da kommt schon einiges an Terminen zusammen. Das motiviert mich dementsprechend auch.“

Welche neuen Ziele und Träume hast du dir seit dem Unfall gesetzt?

Luca Biwer: „Im Verein haben wir das Ziel, Menschen zu helfen, die in eine ähnliche Situation geraten sind wie ich. Es ist oft schwierig, sich in einer solchen Situation umfassende Informationen zu beschaffen. Wir wollen unterstützen, informieren, den Menschen unter die Arme greifen und sie bei ihrem schweren Weg begleiten. Wir haben einen Pool an Experten, die uns unterstützen, und wir können finanzielle Hilfe leisten.

Wie hast du deine Freizeitaktivitäten angepasst, um deine Leidenschaft für den Sport beizubehalten?

Luca Biwer: „Ich habe immer meine Assistenten dabei, die mich unterstützen, mit mir überall hinfahren und quasi meine Hände darstellen. Ohne ihre Unterstützung würde das alles gar nicht funktionieren. Sie sind mir eine große Hilfe. Ansonsten hat sich gegenüber der Zeit vor dem Unfall gar nicht so viel verändert. Nur der Leistungssport an sich ist nicht mehr möglich und ich muss für alles ein bisschen mehr Zeit einplanen. Der Tag hat eben nicht mehr ganz die 24 Stunden, die er vorher hatte.

Welche Ratschläge würdest du anderen Menschen in ähnlichen Situationen geben, um Hoffnung und Zuversicht zu bewahren?

Luca Biwer: „Der Standardspruch: den Kopf nicht hängen lassen. Irgendwie geht es immer weiter. Man muss nur eine Lösung finden, wie es für sich selbst am besten passt, sodass der Spaß im Alltag nicht zu kurz kommt. Auf jeden Fall niemals den Spaß am Leben verlieren.“

Wie wichtig ist es für dich, neue Orte zu entdecken, die barrierefrei sind?

Luca Biwer: „Sehr wichtig. Es ist immer schade, wenn man Orte nicht mit dem Rollstuhl erreichen kann. Aber umso cooler ist es, wenn etwas barrierefrei und erreichbar für mich ist. Neue Orte für sich zu entdecken, ist immer etwas Großartiges. Davon kann ich nicht genug bekommen.“

Welche praktischen Tipps hast du für Rollstuhlfahrer, die gerne reisen oder Ausflüge machen möchten?

Luca Biwer: „Unvoreingenommen an die Sache herangehen, einfach probieren und um Hilfe fragen. Immer offen und optimistisch sein.“

Was würdest du dir zu dem Thema „Barrierefreiheit im Saarland“ wünschen?

Luca Biwer: „Mehr Barrierefreiheit. Je mehr Barrierefreiheit, umso einfacher ist mein Leben. Mein Unfall ist inzwischen sieben Jahre her und ich finde, es hat sich in Sachen Barrierefreiheit einiges getan. Es gibt zwar immer noch Aufholbedarf, aber ich habe den Eindruck, dass Mühe und Arbeit investiert werden.“

Wie stehst du zu einem Begleitservice wie mobisaar?

Luca Biwer: „mobisaar ist ein richtiger Weg. Ich finde, das ist ein schönes Angebot, sodass Menschen mit Einschränkungen sicher und unkompliziert an ihrem Ziel ankommen und ihren Alltag attraktiv gestalten können.“

Hast du besondere Technologien oder Hilfsmittel gefunden, die dir im Alltag besonders helfen?

Luca Biwer: „Seit meinem Unfall habe ich enorm viele Hilfsmittel kennengelernt und grundsätzlich lässt sich sagen: Ohne geht gar nichts. Meinen Computer bediene ich mit einer Mund-Maus. Das funktioniert ähnlich wie ein Joystick, nur dass ich durch Pusten das Klicken auslöse. Damit kann ich gut im Job und Alltag mithalten. Aber das wichtigste Hilfsmittel ist und bleibt natürlich mein Rollstuhl.“

Was sind deine Pläne für die Zukunft und welche Projekte oder Ziele möchtest du noch erreichen?

Luca Biwer: „Die wichtigsten Pläne sind, mein Studium in absehbarer Zeit abzuschließen und mein selbst entwickeltes Fahrrad fertigzustellen. In meinem Verein haben wir noch ganz viele Projekte vor uns, die uns viel Spaß und Arbeit bereiten werden und da dürft ihr auch gerne gespannt sein, was sich daraus entwickelt.“